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Reisetagebuch Afrika 2004

August bis Oktober 2004 war ich in Afrika unterwegs. Hier die Berichte dieser eindrücklichen Reise. Wenn Du dich für eine spätere Reise in die Mailingliste eintragen möchtest, darfst Du dies gerne tun:

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3.8.2004 - zu Hause
7.8.2004 - Ouagadougou, Burkina Faso
14.8.2004 - Sokodé, Togo
17.8.2004 - Abidjan, Côte d'Ivoire
17.9.2004 - zu Hause
19.9.2004 - Dakar, Senegal
29.9.2004 - Ouagadougou, Burkina Faso
Bereits auf dem Rückweg vom Internetcafé wurde mein Eindruck von Gemütlichkeit relativiert. Nur gerade vier Jungs sind mir je für hundert Meter nachgelaufen und haben auf mich eingeplappert. Erst freundlicher Smalltalk, dann schimmert langsam durch was sie dir verkaufen wollen. Wenn Du sie abwimmelst tun sie beleidigt und werfen dir durch die Blume vor, du gehest ja gar nicht auf deine Mitmenschen ein und sie seien eben freundlich und Freundschaft sei doch das was zählt und blahhhblahhh. Ekelhafte Drecksschleimer.
Ein schönes Gegenbeispiel fand ich am Strand, rsp. an den Klippen. Da sass ein etwa gleichaltriger in seinem Rollstuhl im Schatten und ruhte sich aus. Wie's mir denn so gehe und ob ich vielleicht eine Zigarrette hätte. Kein Hundeblick, kein Betteln. Einfach nur freundlicher Smalltalk. Solche Begegnungen sind bisher immer noch selten geblieben. Wenn du angesprochen wirst, ist jedesmal ein Interesse dahinter - und sei es nur das Austauschen der Adressen.
Der Umstand, dass ich hier niemandem vertrauen kann, schlägt mir jeden Tag auf die Moral. Im Sinn von Sicherheit traue ich hier den meisten Menschen. Noch nie habe ich mich in geringster Gefahr gefühlt, ich mache mir auch wenig Sorgen um Diebe (anders als z.B. in Südamerika). Aber menschlich vertrauenswürdige, uneigennützige Begegnungen kann ich bisher an einer Hand abzählen. Es waren fast ausschliesslich Begegnungen unterwegs mit Mitreisenden.

Die Insel Gorée vor Dakar gab mir Zuflucht am zweiten Tag. Die Insel ist zwar enorm touristisch, zu dieser Zeit ist sie aber sehr ruhig und ich erholte mich einen Tag lang vom Stadtrummel und dem Stress der letzten Tage. Das Meer war zwar sehr warm, aber erfrischte trotzdem. Nebenbei fand ich die Ursache des Defektes meiner Kamera (welchen ich bereits in Südamerika entdeckte) und konnte ihn endlich beheben. Jetzt kann ich wieder manuell belichten. Schön.

Zurück in Dakar folgte ich einem Tip eines Kellners, den ich nach Livemusik fragte und landete etwas ausserhalb des Zentrums in vornehmem Quartier im "Just for you". Die Getränkepreise ähnelten denen der Schweiz, aber die Musik war gut und ich zufrieden. Nebenbei schätzte ich das Europäische Klo.
Dakar ist allgemein sehr teuer. Das billigste Hotel, das ich finden konnte kostete mich schon Fr 25.-. Dass die Zimmer hier vorzugsweise pro Stunde vermietet werden, bescherte mir jeweils ein verwegenes Lächeln der Taxifahrer.

Den dritten Tag in Dakar streunte ich umher und schlug Zeit tot. Ein Highlight war der Koraspieler im Restaurant, der mit gekonntem Spiel und sanfter Stimme mein Herz erweichte (Die Kora ist ein afrikanisches Saiteninstrument).

Um 1:00Uhr fuhr der Bus nach Tambaconda, meine erste Etappe in Richtung Ouagadougou. Meine Reservation vom Vorabend war zwar durchgestrichen, mit etwas Nachdruck blieb ich aber der erste auf der Liste und konnte meinen Platz im Bus aussuchen. Die 11h Reise verlief etwa wie erwartet. Der Bus war überfüllt und bis wir losfuhren schwitzten wir uns bachnass - die würzige Luft enthielt gerade noch genügend Sauerstoff zum überleben - dann sorgte Zugluft für zu starke Abkühlung.
In Tamba angekommen war ich erstaunlich guter Dinge und zog gleich mit dem nächsten Bus weiter an die Grenze zu Mali. In brütender Mittagshitze schlummerte ich friedlich während der ganzen drei Stunden der Fahrt. Auf einem Eselskarren überquerte ich die Grenze. Leider konnte ich den Kutscher nicht davon abhalten, seinen armen Esel mit dem Prügel Beine zu machen.
Es wurde Abend über dem grünen Sahel. Ich kriegte meinen Einreisestempel nur gegen Bezahlung. "Vous payez mille francs!" meinte der gut gelaunte Beamte. Meine Frage, wofür denn die seien (so ganz im Sinne; gibts denn den Stempel gleich dazu?) blieb unbeantwortet.
Im vollgepackten Peugeot-Taxi gings über Schlaglochpiste nach Kayes. Ich wollte etwas mit den drei Tuareg plaudern, die ebenfalls seit Dakar unterwegs waren, doch die sprachlichen Probleme liessen es bei einem wohlgemeinten Lächeln bleiben. Allah ist gross, soviel habe ich verstanden.

In Kayes begann das grosse Abenteuer der Zugfahrt nach Bamako bereits damit, ein Ticket zu kriegen. Am Donnerstag brannte ich erstmal an. Schalter geschlossen, ich soll morgen um 6:30 Uhr an den Schalter kommen, der um 8:00 Uhr öffnet.
Den rest des Tages verbrachte ich mit trinken. Nur gerade 5 Liter trank ich an diesem Tag. Ich hatte wohl etwas zu heiss gekriegt und auf den Reisen trinke ich immer zu wenig um nicht pinkeln zu müssen. Ob mein Durchfall am Samstag daher kam weiss ich nicht. Vielleicht war es auch der komische Apfelsaft vom Abend vorher.

Da ich so früh aufstehen musste, wurde ich Zeuge städtischer Abfallentsorgung: Man wische in den Strassen allen Abfall zu Haufen zusammen und zünde sie an. So hat jede Strasse ihr Feuerchen.
Gegen 7:00 Uhr war ich am Bahnhof. Die Warteschlange war bereits enorm. Ein Typ bot mir seinen vierten Platz in der Reihe für ein "cadeau" an. Er gab mir das Geld für weitere drei Tickets, die ich für Ihn kaufen sollte. Bis der Schalter öffnete stand ich eingequetscht auf meinem Platz und hoffte, weder scheissen, noch kotzen zu müssen.
Wie ich an der Reihe war, kriegte ich nur ein einziges Ticket. Da war nix zu machen. Die anderen müssen das doch gewusst haben. Vermutlich wollten sie einfach meine Bereitschaft erhöhen, Ihnen für den Platz ein grosszügiges cadeau zu überreichen - was ihnen auch gelang.
Da ich noch einen Tag Zeit hatte, wollte ich trotz Dünnpfiff das Dorf Médine besuchen, wo noch immer die erste koloniale Festung der Franzosen steht. Eine "Pirogue" (mototisiertes Kanu) fuhr etwa 2h den Senegalfluss hinauf. Im Kaff angekommen war mir so übel, dass ich die Ruinen gleich mit etwas Galle begrüsste. Wie ich mich etwas besser fühlte, führte mich Abdullaye durch die Ruinen und verpasste mir mehr geschichtliche Information, als ich in diesem Zustand aufnehmen konnte. Er bot mir auch gleich ein Bett in seinem Haus an, welches ich gerne annahm. Dieses Dorf gefällt mir. Die einfachen Lehmhütten ohne Fensterglas, Strom oder fliessend Wasser haben Charme.
Auf der "Veranda" des Hauses ruhte ich mich aus und liess mich von Mücken auffressen. Die Energie, aufzustehen und das Moskitonetz aufzustellen hatte ich nicht. Dummerweise wagte ich es auch noch, einen afrikanischen Tee (schwarz und dick wie italienischer Ristretto) zu trinken, der mir leider zweimal durch den Kopf ging.
Am nächsten Morgen schon musste ich zurück für meinen Zug, der für 12:15 vorgesehen war. Am Bahnhof angekommen fand ich eine Mitteilung, der Zug sei jetzt für 20:15 vorgesehen. Man beachte die 15 Minuten! Mir kam dies sehr entgegen, denn der Zug wäre sonst mitten in der Nacht in Bamako angekommen und so blieb mir auch noch etwas Zeit, mich aufzupäppeln. Glücklicherweise war meine Verstimmung bereits wieder vorbei. Mit einer Bananenkur versuchte ich wieder zu Kräften zu kommen.

Aus Misstrauen war ich bereits um 18:00 Uhr am Bahnhof. Eine riesige Schar Menschen wartete bereits und als die ersten Wagen zum Perron rangiert wurden ging der Trubel los. Die Meute rannte, drängelte, schrie und ich stand erst verdutzt, dann amüsiert daneben und fragte mich, was denn der Kindergarten soll. An den Eingängen der Wagen versuchten Uniformierte, die hineinströmende Menge in Schach zu halten und die Reservationen zu kontrollieren, gleich daneben kletterten aber Jugendliche direkt durch die Fenster. Es war bereits dunkel und die Beleuchtung sparsam. Die Wagen selbst waren überhaupt nicht beleuchtet. Weil die Wagen nicht nach Nummern sortiert waren, musste ich jeden einzelnen abklappern um ganz zuletzt den richtigen zu finden.
So warf ich mich mit Gepäck in das Getümmel vor dem Einstieg und drängelte halt auch, anders gehts nicht. Die Gänge waren bereits dermassen verstopft, dass ich mich durch etliche schreiende und schubsende Leute zwängen und über aller Leute Gepäck klettern musste. Alles nur mit dem Licht meiner Stirnlampe, die ich zwischendurch anzündete.
Ich schaffte es in mein Abteil, war aber völlig entnervt und nassgeschwitz. Jetzt weiss ich, wieso anfangs alle rannten. Erstaunlich freundlich blieben alle in diesem Gedrängel, mal abgesehen von einer Rauferei vor dem Zug. Scheinbar ist man sich das gewöhnt.

So sass ich da im Dunkel, genau ein Arsch breit Platz, umgeben von Menschen und Gepäck, ohne Bewegungsmöglichkeit und musste mich fragen, wieso ich mir diesen Scheiss antue.
Als der Zug ins Rollen kam, fasste er etwa dreimal soviele Leute, wie vorgesehen wären, diejenigen, welche auf dem Dach der Wagen Platz fanden nicht mitgezählt.
In dieser Situation musste ich mich ab kleinen Dingen freuen, wie z.B. dass sich der Zug genau im Tackt zu Miles' "So what" auf- und abbewegte. So what - ich lebe ja noch.

Das Verhältinis von Steh- zu Fahrzeit erinnert an dasjenige von Werbung zu Film auf Privatsendern. Kommt dazu, dass an jedem halt tatsächlich geworben wird; Brot, Säfte, Orangen, Eier - alles mögliche tragen Frauen und Kindern in ihren Körben auf den Köpfen und reichen es für ein paar Münzen durch die Fenster.

Im Abteil war ich in guter Gesellschaft. Ein Bibliothekar, ein paar Studenten und deren etwa fünf kleinen Geschwister. Man teilte, was man hatte; Früchte, einen Schluck Wasser, Baobab (Affenbrot), Maniok, meinen Minidisc.
Mit dem Wasser hielt ich mich wieder zurück, obwohl ich sicher dehydriert war. Das Erlebnis, mich in meine Trinkflasche erlösen zu müssen, wollte ich mir wirklich ersparen. Auch wenn es ein Klo gehabt hätte, hätte ich es kaum erreichen können.

Irgendwie fand ich etwas Schlaf und ein neuer Tag begann. Gegen Mittag hielt der Zug irgendwo im Busch an. Dass etwas nicht normal war, merkte ich erst gar nicht, denn durch die alten, verbrauchten Fensterscheiben sah ich nie etwas von der Landschaft. Dann hiess es, der Zug sei entgleist. Da er sowieso immer ruppig fuhr,war mir gar kein ungewähnliches Bremsen aufgefallen. Tatsächlich war der dritte Wagen entgleist. Wie ich Fahrwerk und Schienen sah, erstaunte es mich, dass es erst einmal passierte.
Im Schatten eines Strauches traf ich auf eine Handvoll Amerikaner vom Peace Corps, die bereits ein bis zwei Jahr hier sind. Ich war beeindruckt durch ihr fliessendes Bambara, in welchem sie mit den Leuten scherzten. Wir unterhielten uns gut und die sechs Stunden bis zum Eintreffen des Wagenhebers gingen vorbei. Nur das Wasser bereitete uns Sorgen. Ich hatte einen halben Liter für sechs Stunden Nachmittagshitze, die anderen etwa gleich viel. Zusammen mit de, Wagenheber kam dann auch eine rostige Tonne Wasser für alle angekarrt. Mit ein paar Chlortropfen war das Problem also vorübergehend gelöst. Wieder unterwegs durstete ich aber bald wieder, konnte mir an einer Haltestelle aber einen Bissap ergattern (überzuckerter Fruchtsaft). Zudem kaufte ich eine mutierte Kartoffel, die ich in der Dämmerung für einen Zopf gehalten hatte. Der Bibliothekar nahm sie dankend entgegen.

In Bamako angekommen war es doch schon wieder Nacht und eine meiner unangenehmsten und abenteuerlichsten Fahrten fand ein ersehntes Ende. Ich war froh um die Hilfe einer Einheimischen, die ich unterwegs kennengelernt hatte. Ich mag es nicht, nachts in einer Grossstadt anzukommen, inklusive Dakar bin ich bisher aber nicht in einer bei Tageslicht angekommen. Aisha zeigte mir ein Hotel. Leider passten mir weder Preis, Leistung noch Atmosphäre. Ein weiteres Taxi brachte mich zur katholischen Mission, wo ich eine wohltuent freundliche Alternative fand. Eine wahrhaft heile Welt in diesem Moment.
Hier traf ich auf einen in Neuchâtel lebenden Ivorianer, Musiker, und einen argentinischen Elektroingenieur. Im Puff nebenan gönnten wir uns ein Bier vor dem zu Bett gehen.

Bamako ist ganz in Ordnung, fast gemütlich. Ich musste aber rasch weiter, um Charlotte in Ouagadougou abzuholen. Die Fahrt nach Ouaga war zwar unbequem wie immer, aber die durchgehend geteerte Strasse und erstaunlich gute Musik machten die 19h erträglich.

Heute bin ich wieder in Ouaga, genau pünktlich um Charlotte vom Flughafen abzuholen. Keinen Tag hätte ich schneller sein können. Ich freue mich sehr auf ihre Ankunft, denn hier sind so wenige Touristen, mit denen du wie gewohnt umgehen kannst. Das fehlende Vertrauen, von dem ich gesprochen habe, nacht mich zuweilen recht einsam.
13.10.2004 - Sevaré, Mali
25.10.2004 - Bobo Dioulasso, Burkina Faso



[Sourcecode des Reisebericht-Projektes (Mailinglist,MySQL)]


last update: 14. Mar 21

Author: Alain Brenzikofer